Es war ein heißer Tag im Juli 1877, als Wladislaw Vyborny eine fatale Entscheidung traf: Zu Fuß wollte der junge Mann von Miramar an der Nordküste bis nach Palma marschieren. 25 Kilometer bei sengender Sonne. Der Grund war ein schöner und weiblich. Wladislaw schaffte es tatsächlich bis Palma. Doch dort gab er zum zweiten Mal einem drängenden Bedürfnis nach: Im ersten besseren Café stürzte er ein eisgekühltes Getränk hinunter und starb prompt an einem Hitzschlag.

Dokumentiert ist die Episode, weil Wladislaw der Sekretär von Erzherzog Ludwig Salvator war. Der Habsburger missbilligte das Techtelmechtel seines Bediensteten und verweigerte ihm eine Kutsche. Der Fußmarsch war ein Akt der Verzweiflung.

An Wladislaw musste ich diesen Sommer denken. Alljährlich nehme ich am traditionellen Nachtmarsch Palma-Lluc teil, um mein Hirn mittels körperlicher Erschöpfung zu resetten. Doch „Lluc a peu“ wurde aus viralen Gründen abgesagt. Was tun? 48 Kilometer, davon die letzten zehn bergauf – „Lluc a peu“ ist schwer zu ersetzen. Meine Lösung: die Via Verda von Manacor nach Artà hin und retour. Zwar durchgehend flach, dafür acht Kilometer mehr und tagsüber.

Der Termin – Samstag 1. August – war verrückt, weil ein speziell heißer Tag, doch aus sentimentalen Gründen unverrückbar. Meine Frau hieß mich einen Wahnsinnigen, zitierte die „mad dogs and englishmen“, doch sie beruhigte sich rasch und dachte dann wahrscheinlich über die Gestaltung meiner Beerdigung nach. Dekoration ist ihr Ding, sie würde (wird) das gut machen. Sarg aussuchen, Blumenarrangements, und die Kombination Hitzschlag-Einäscherung wäre die Steilvorlage für einen pfiffigen Spruch auf der Urne: „Er war ein heißer Typ, vor allem dem Ende zu“.

Wie der geneigte Leser errät, kam es nicht so weit. Das unleuchtende Beispiel von Wladi vor Augen, verzichtete ich am Ziel auf das eisgekühlte Getränk und das Bestattungskonzept musste – ha, ha – beerdigt werden. Natürlich war ich so ausgepowert, dass ich den Rest meines Sommerurlaubs nur herumlag und stöhnte. Einigermaßen erholt, nutze ich dieses Forum, um jedem passionierten Kilometerfresser die Via Verda zu empfehlen. Da auf einer stillgelegten Bahnterrasse angelegt, hat der Rad-, Wander- und Joggingweg seine eigenen Tunnels, Brücken und Unterführungen. Vor allem Radfahrer können in diesem autofreien Ambiente ihre Lebenserwartung strecken. Solange sie nicht den Wladi-Fehler begehen …

Kolumne in der Inselzeitung September 2020