„The Forever War“ von Joe Haldeman

Diesen Roman pflegte ich alle zehn Jahre wieder zu lesen, diese Zeit ließ ich jeweils vergehen, um möglichst viel zu vergessen und das Buch neuerlich wie beim ersten Mal genießen zu können.  Beim allerersten Mal, in meinen Teen-Jahren, las ich noch die deutsche Ausgabe („Der unendliche Krieg“), danach die Originalfassung. Beschrieben wird die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Menschheit und einer außerirdischen Spezies. Das Besondere: Dieser Konflikt zieht sich über mehr als tausend Jahre hin. Der Protagonist ist ein Mann, der den Krieg von Anfang bis zum Ende miterlebt, zu Beginn als einfacher Soldat, am Ende als Offizier. Diesen Zeitraum durchlebt er, weil bei den Reisen zu den weit entfernten Kriegsschauplätzen aufgrund der Technik des „Collapsar Jump“ jeweils Jahrzehnte übersprungen werden.

Science Fiction gilt als das Schmuddelkind der Literatur. Tatsächlich ist das Meiste, was unter diesem Label auf den Markt kommt, keine „hohe Literatur“ oder aus literarischer Perspektive aufregend. Eine wichtige Ausnahme ist der Pole Stanislaw Lem, einer der wenigen SF-Autoren, die auch literarisches Renommée erlangten und den ich hier als eigene Kategorie behandeln würde.

Literarisch ist „The Forever War“ bestimmt kein Meisterwerk, doch inhaltlich und konzeptuell steht dieses Buch weit über dem, was man von dem Genre erwarten darf. Die fantastische Prämisse ist bis ins Detail durchdacht und brilliant ausgearbeitet. Der Umstand, dass auf den Reisen zur „Front“ die Zeit im Vergleich zur Erde einen anderen Verlauf nimmt, hat zur Folge, dass die Rückkehrer jeweils in einer vollkommen veränderten Welt eintreffen, in der sie sich erst zurechtfinden müssen, in der die Gesellschaft eine Entwicklung von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten erfahren hat.

Dass Haldeman diese Erzählung so glaubwürdig und kohärent rüberbringt, hat nicht nur mit seinen Fähigkeiten als Autor, sondern auch mit seinen Lebenserfahrungen und beruflichen Qualifikationen zu tun. Der US-Amerikaner war als Soldat in Vietnam und kennt das Phänomen Krieg aus erster Hand. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass dieses Erlebnis weitaus komplexer ist als in schlechten Kriegsfilmen dargestellt – das Chaos, die Emotionen, die vielen Kleinigkeiten, die über Leben und Tod entscheiden können.

Darüber hinaus hat Haldemann Physik studiert und somit einen fundierten Zugang zu den technologischen Aspekten, die in SF-Romanen naturgemäß eine tragende Rolle spielen.

„The Forever War“ ist der beste konventionelle „neue“ Science-Fiction-Roman, den ich je gelesen habe (Jules Verne ist ein historisches Phänomen, Stanislaw Lem auf einer weniger konventionellen Schiene unterwegs). Immer wieder habe ich über eine mögliche Verfilmung gelesen, zu dieser ist es jedoch nie gekommen. Schwer verständlich, die Geschichte ist großartiger Stoff für ein visuelles Spektakel mit Tiefgang.

MEIN LIEBLINGSZITAT

Der Protagonist Mandella und eine Mitkämpferin namens Marygay verlieben sich ineinander. Als die beiden befördert werden, erhalten sie ihre neuen Marschbefehle. Und die bedeuten, dass sie einander nie wiedersehen werden. „She was still struck dumb. This was not just a separation. Even if the war was over and we left for Earth only a few minutes apart, in different ships, the geometry of the collapsar jump would pile up years between us. When the second one arrived on Earth, his partner would probably be a half-century older; more probably dead.”

NEBENBEI ERWÄHNT

Die Zeit geht nicht nur grausam mit den Protagonisten in Science-Fiction-Romanen um, in denen Zeitsprünge eine Rolle spielen, sondern auch mit Science-Fiction-Romanen selbst. „The Forever War“ kam 1975 heraus. Wie viele andere, die sich zukünftige Welten ausmalten, lag Joe Haldeman in vielem falsch. Der zweite Teil des Buches, indem Mandella als Sergeant durch den Weltraum rast, ist zwischen 2007 und 2024 angesiedelt. Obwohl es bis 2024 noch drei Jahre hin ist, sind die beschriebenen Technologien noch nicht einmal ansatzweise in Sicht. Der lustige Part kommt jedoch, als er auf die Erde zurückkehrt. Dort hat sich alles verändert, sogar historische Städte wie Paris und London. Doch um sich in diesen utopischen Mega-Cities zurechtzufinden, verwendet Mandella nicht etwas Ähnliches wie ein i-Phone, sondern bekommt eine Stadtkarte aus Papier in die Hand gedrückt, „so dick wie ein Buch“. Olalá, lieber Joe …