Wer Schmerzen, Erschöpfung, Frust und Umpa-Umpa-Musik liebt, mit dem sich Jugendliche zum Durchhalten motivieren, für den ist „Lluc a peu“ perfekt. Der Volks-Nacht-Marsch von Palma zum Kloster Lluc garantiert Masochisten ein Qualitätserlebnis.

Ich bin seit vielen Jahren Fan. Doch dieses Jahr war alles anders. Wegen Covid auf die Nacht vom 18./19. September verschoben, Regen angesagt, mickrig die Teilnahme: etwa 3.000 Masos. In den besten Zeiten marschierten an die 35.000, damals knapp 5 Prozent der Inselbevölkerung. Wenn China das toppen will, muss es einen Volksmarsch mit 70 Millionen Teilnehmern organisieren. Da kann man auf gut Chinesisch nur „Lucky Lluc!“ wünschen.

Die Organisation gibt sich umweltbewusst, daher der Rat, die Bahn zu nehmen. So reise ich mit dem SFM-Flitzer nach Palma. Eine halbe Stunde vor dem „Chus“ wird er mich fünf Gehminuten vom Startplatz ausspucken. Theoretisch. In der Praxis stoppt der Zug viele Kilometer früher und ein Kontrolleur – offenbar vitaler Akteur des hochtechnologischen SFM-Informationssystems – raunt mir persönlich ins Ohr: Weiterfahrt per Bus.

Schienenersatzverkehr heißt, dass der Bus in etwa Zeitplan und Route des Zuges fährt. Nicht bei SFM. Der Bus ist voll, draußen diskutiert endlos das Personal, drinnen verstreichen die Minuten. An die zwanzig. Das Motiv der Verzögerung bleibt top secret, endlich geht es los, allerdings nicht Richtung Palma – die Straße ist für den Marsch gesperrt – sondern weg von Palma. Zum allgemeinen Entsetzen verpasst der Lenker die erste Abfahrt Richtung Autobahn und findet den Weg nach Palma erst auf Höhe Festival Park.

Ergebnis: Die Maso-Meute ist schon lange unterwegs, als ich mit anderen Marschierern aus dem Bus stürze und zur Plaza Es Guell hetze, wo das Start-Volksfest gerade abgebaut wird. Nach einer Stunde Sauseschritt habe ich den Pulk eingeholt und die Nachtmarsch-Dunkelheit verschluckt mich.

Der Rest ist schnell erzählt: Schmerzen, Erschöpfung, Frustration und Umpa-Umpa-Musik. Kurz vor Lluc eiskalter Gegenwind mit bösartigen Regentropfen. Am Ziel wacht eine Elitetruppe der Guardia Civil mit schusssicheren Westen und Barrett. Offenbar wird befürchtet, dass die von 49 Kilometer Nachtmarsch ausgelaugten Teilnehmer randalieren.

PS: Das Durchpennen bis Montag Früh gehört ebenfalls zur Experience. Un-be-zahl-bar!

Kolumne in der Inselzeitung Oktober 2021