Während eines NATO-Manövers sitzen junge Offiziere aus verschiedenen Ländern im Biwak zusammen. Ein französischer Leutnant schwärmt: “Wenn ich jetzt zu Hause in Paris wäre, dann würde ich meiner Freundin Champagner über die nackte Haut schütten und die perlenden Tropfen wegküssen …”

Andächtiges Schweigen. Bis ein deutscher Hauptmann fragt: “Sagen Se mal, Kamerad, kann man det Janze ooch mit Bier machen?”

Warum kommt mir dieser alte Witz in den Sinn? Weil erstaunliche Pressemeldungen dieses wohl traditionsreichste Erfrischungsgetränk ins Rampenlicht katapultiert haben. Das ist keine Schaumschlägerei! Vor ein paar Tagen wurde bei der Renovierung eines historischen Bierlokals nahe der Kathedrale von Sevilla ein Arabisches Bad aus dem 12. Jahrhundert entdeckt. Wie sinnig, selbst wenn scheinbar der Zufall Regie führte: Zuerst ein heißes Bad, dann ein kühles Bier. Die klassische Abfolge eines Wellness-Programms ist hier in historische Dimensionen übertragen.

Keine 48 Stunden später las ich eine Nachricht, bei der mir der Flaschenöffner aus der Hand fiel: In Ägypten wurden die 5.000 Jahre alten Reste einer Bierbrauerei gefunden. Mitten im Allahu-Akbar-Land! Nicht ganz so gut erhalten wie das Hammam in Sevilla, aber immerhin. Allerdings bin ich nun verstört. Ist Bier nicht eine urgermanische Sache …?

Weit weniger weit von meinem Kühlschrank entfernt liegt der Schauplatz der folgenden Bier-Anekdote. Mallorcas erster VIP-Fan, Erzherzog Ludwig Salvator, war ein passionierter Cerveza-Trinker. Den Gerstensaft ließ er sich aus der eigenen Brauerei seines im heutigen Tschechien gelegenen Stammsitzes nach Mallorca schicken. Vor etwa 12 Jahren wurde Manolo Ripoll, ein bekannter Antiquar aus Palma, von den Eigentümern des Landguts Son Moragues gebeten, vor dem Verkauf dieses ehemaligen Habsburger-Wohnsitzes das Archiv zu sichten. Prompt stieß der auf eine erzherzögliche Bierkiste. Und darin fand er nicht etwa Flaschen, sondern eine bislang unbekannte Sammlung historischer Fotos. Unter den abgelichteten Personen vermeinte Ripoll gar, Kaiserin Elisabeth –die berühmte „Sisi“ – zu erkennen. Sie war tatsächlich einige Male incognito nach Mallorca gereist, von ihren letzten Lebensjahren sind nur wenige Fotos erhalten.

Doch auch dunkle Bier-Episoden musste ich erleben. Als Frankreich 1995 den, wie sich später herausstellte, letzten oberirdischen Kernwaffenversuch durchführte, beschlossen meine bessere Hälfte und ich einen Handelskrieg gegen die Grande Nation. Wir prüften alle Produkte unseres Warenkorbs auf ihre Herkunft und fanden heraus, dass alleine das alkoholfreie Schwarzbier von „Tourtel“ die Boykottkriterien erfüllte. Monatelang verzichteten wir tapfer auf unser Lieblings-Glugluck, um Frankreich für den Nukleartest zu bestrafen. Als wir nach einigen Monaten gnädig sein wollten, stellten wir zu unserem Entsetzen fest, dass „Tourtel“ nicht mehr im Sortiment war.

Das Schlusswort überlasse ich dem deutschen Journalisten und Politiker Paul Albrecht Wilhelm Alexander Meyer (1832-1908), der es auf den Punkt brachte: „Das Bier, das nicht getrunken wird, hat seinen Beruf verfehlt.“

Kolumne in der Inselzeitung März 2021