Reportage über den von einem Dorfpfarrer im Montafon veranstalteten Vortrag eines religiösen Mediums

Partenen. – Sogar dem Teufel in Person ist sie schon begegnet. Rund 150 Zuhörer vernahmen es staunend. Im Vallüla-Saal in Partenen, ganz hinten im Montafon, erzählte das alte Fräulein Maria Simma aus dem Großen Walsertal, wie ihr die armen Seelen erscheinen. Meistens nachts, manchmal auch tagsüber. Und im November ganz besonders häufig. Demnach ist gerade Hochsaison. Pfarrer Wilhelm Stoppel bot seiner Gemeinde einen Abend lang „Nachrichten aus dem Fegefeuer“.

Daß gerade sie von armen Seelen aufgesucht werde, sei kein Gradmesser für die Frömmigkeit, betont Maria Simma anfangs. Und der Geistliche Rat Wilhelm Stoppel erklärt zur Einleitung schlicht: „Der Heilige Geist wehr, wo er will.“

Daheim bei Fräulein Simma weht er permanent. Ihr geben die armen Seelen nicht nur über die Verrechnungsmethode im Jenseits Auskunft („Wenn man für eine bereits erlöste Seele betet, kann diese die Gebete an noch nicht erlöste Seelen verteilen, an Freunde oder Kameraden“), sondern sparen auch nicht mit Wertungen der Kirchenpolitik. In der katholischen Kirche – so lauten die Kommentare derzeit – sei leider der Teufel im Vormarsch. Dies erkenne man nicht nur daran, daß in manchen Kirchen sogar schon das Weihwasser fehle, sondern auch an der zunehmenden Verbreitung „dieser dummen Hand- und Stehkommunion“. Weder Konzil noch Papst hätten sie erlaubt. Drei Priesterseelen seien ihr gekommen, die schwer leiden müßten, weil sie die Kommunionbänke entfernt hätten.

Eben diese katholische Kirche – mit Ausnahme des Pfarrers Stoppel – steht den Erscheinungen der Maria Simma kritisch gegenüber. Was das „Seelenwible“ jedoch weniger stört, denn „es ist besser, zehn wahre Fälle nicht anzuerkennen, als einen einzigen falschen zu akzeptieren.“

Diese Haltung der Kirche soll jedoch offensichtlich niemanden daran hindern, von den armen Seelen zu lernen. „Sie haben uns viel zu sagen“, meinte Pfarrer Stoppel, der es überdies günstig fand, gerade zu Allerseelen einmal zu hören, was die im Fegefeuer Schmorenden so zu berichten haben.

In erster Linie erzählen sie dem Fräulein Simma, wie viele Messen, Gebete oder was sonst notwendig seien, um sie zu erlösen. Wenn die Erscheinungen (oftmals auch Japaner und Afrikaner, aber alle sprechen sie deutsch) ihr Erlösungs-Soll mitgeteilt haben, bleiben sie manchmal noch stehen und lassen sich befragen, über andere Verstorbene oder über Religion im allgemeinen. Anfragen nach Verstorbenen, die Maria Simma für ihre Mitbürger konzilianterweise übernimmt, werden manchmal erst nach zwei, drei Jahren beantwortet. Hetzen lassen sich die armen Seelen nicht, scheint’s.

Seine Erlösung könne jeder Mensch bereits im Diesseits mit einem entsprechenden Gebetspensum sowie angemessener Lebensweise vorbereiten. Werde das Gebet jedoch vernachlässigt, erhöhe sich das Strafausmaß im Fegefeuer beträchtlich. Als Modellbeispiel nannte Maria Simma den Fall eines Pensionisten, der gesund sei und direkt bei der Kirche wohne. Besuche dieser nur die Sonntagsmesse, sei das zu wenig. Als arme Seele müsse er dann lange warten, bis ihm eine Messe zur Erlösung zugeteilt werde. Die Werktagsmessen würden nämlich beinhart mitberechnet. Wer diese selbst nicht besuchen könne, solle die Kinder schicken; damit täte man den Kleinen auch etwas Gutes.

Einen gewissen Überblick über die Strafausmaße gab das „Seelenwible“ mit zwei Beispielen. Ein Vater ließ seine Tochter nicht ins Kloster – 30 Jahre Fegefeuer. „Ein Revolutionär“, der an der Folterung der heiligen Ursula beteiligt war, faßte gar 1400 Jahre aus. Das letzte Beispiel zeige jedoch, daß es sehr viel brauche, um in die ewige Verdammnis der Hölle einzugehen. Zu deren Insassen hat Maria Simma übrigens keinen Kontakt.

Wohl aber nahm sich der Teufel einst die Mühe, persönlich bei der Großwalsertalerin aufzukreuzen, um ihr einen Briefumschlag aus der Hand zu reißen, als sie gerade einer Familie Tips für die Vertreibung des bösen Feindes brieflich zukommen lassen wollte. „Plötzlich stand ein junger schwarzer Mann mit schwarzbraunem Gesicht neben mir und hat mich wütend angeschaut“, schildert Simma den Vorfall.

Neben Tips für die Erziehung (ein Kind die ersten zwei Jahre ruhig durchhauen, dann wird’s brav) geben die Verstorbenen auch Auskunft über die Wirkung von Rosenkranz, Stoßgebeten (enorme Wirkung) und Leiden. Letzteres habe schon so viele Seelen erlöst und soviel Gutes bewirkt (gar schon eine Lawine aufgehalten), daß man dies den Siechen sagen müsse – „damit sie nicht glauben, sie würden umsonst leiden“.

Die anschließende Diskussion („Fragen Sie mich ruhig kritisch“) brachte keinerlei Kritik, und so meldeten sich drei Gäste aus dem Publikum, denen auch schon wer erschienen ist. Dazu Maria Simma: „Das gibt’s.“

Neue Vorarlberger Tageszeitung, 22. November 1984