„Die Villen der Frau Hürsch“ von Alfred Komarek
Aus eigenem Antrieb hätte ich dieses Buch nie gekauft, nie gelesen. Eine gute Bekannte hat es mir ans Herz gelegt, was zur Folge hatte, dass ich danach systematisch alle Romane von Alfred Komarek verschlungen habe.
Worum es in diesen Romanen geht, ist Nebensache. Das Phänomen bei Komareks Schreibe ist, dass selten etwas wirklich Dramatisches passiert, über weite Strecken eigentlich gar nichts, dass die Erzählung in einem Plauderton daherkommt, jedoch im Kopf des Lesers Bilder und Gefühle entstehen lassen, die süchtig machen. Es ist einfach schön, einen Komarek zu lesen. Von vorne bis hinten.
In „Die Villen der Frau Hürsch“, meinem Debüt-Komarek als Leser, geht es um die Reise eines Journalisten namens Daniel Käfer in die Landschaft seiner Kindheit, das Ausseerland im österreichischen Salzkammergut. Eine Lebenskrise mischt sich mit einem Mysterium, Käfer trifft Leute, hat Gespräche, sitzt immer wieder in einem Wirtshaus, wird immer wieder zu einem typischen Essen eingeladen, stellt wunderbar formulierte Betrachtungen an, führt interessante Gespräche, während sich unauffällig eine Geschichte anschleicht, die durchaus etwas Düsteres an sich hat, und den Leser in ihren Bann zieht, bevor er es richtig merkt.
Wie klug Komarek als Mensch und Autor ist, merkt man auch bei Interviews oder bei Feuilletons und Radio-Texten. Tatsächlich war mir sein Name als Urheber von unanständig guten Radiotexten in Erinnerung. Sein Alter Ego Daniel Käfer hat er noch einige Male ins Ausseerland geschickt, und ich bin gerne mitgereist und habe jeden dieser Ausflüge genossen.
Dass er sich als Donaldist bekennt und somit ein Verehrer der genialen Übersetzerin und Sprachschöpferin Erika Fuchs ist, rundet das Bild von einem Menschen ab, vor dessen Schreibkunst, Humanismus und Dünkellosigkeit ich nur den Hut ziehen kann. Meiner Bekannten werde ich für den Buchtipp ewig dankbar sein. Ein Leser-Leben ohne Komarek – mich schaudert beim bloßen Gedanken.
MEIN LIEBLINGSZITAT
Eine der vielen Komarek-Spezialitäten sind seine Dialoge. Nicht unbedingt aus dem Leben gegriffen, dazu sind sie zu originell, aber sie gehen runter wie guter Wein. In „Die Villen …“ lässt er den Romanhelden zu seiner Angebeteten sagen: „Du bist natürlich auch ein Buch. Auf der ersten Seite steht alles über die Welt. Auf der zweiten steht alles über den Himmel und auf der dritten Seite alles über die Hölle oder über mich. Und dann gibt es noch siebentausendachthundertvierundvierzig Seiten Inhaltsverzeichnis.“
NEBENBEI ERWÄHNT
Komareks Weinviertel-Krimis mit dem philosophierenden, übergewichtigen Dorfpolizisten Simon Polt wurden zu einer TV-Serie gemacht, die ich bisher nicht anschauen wollte. Mir waren die Bilder in meinem Kopf wichtiger, ich wollte sie nicht löschen lassen.