Der Mann, der Sherlock Holmes verehrt
Juni-Ausgabe der Inselzeitung
Thomas Fitzner hat viele Seiten. Wäre er ein Buch, würde es fast täglich neue Kapitel geben. Das ist er aber nicht. Zum Glück. Denn sonst würden uns viele unterhaltsame und spannende, kreative Ideen des Wahl-Mallorquiners vorenthalten bleiben.
Thomas Fitzner ist Autor. Er ist aber auch Kosmopolit, Experte für Steuerrecht und Weltenbummler. Nicht zuletzt ist Fitzner aber ein bekennender Mallorca-Liebhaber. Hier hat er vor vielen Jahren in Costitx sein Zuhause gefunden. Sein Interesse an Geschichten, die Begeisterung fürs Schreiben, die immerwährende Neugier und seine Kunst, Ereignisse mit Abstand zu beobachten und augenzwinkernd zu beschreiben, sind für den gebürtigen Österreicher eine Art Lebenselixier. Er liebt den Meisterdetektiv Sherlock Holmes, war im selben Internat wie dessen Schöpfer Sir Arthur Conan Doyle.
- Wieviel Österreich steckt noch in Ihnen als weitgereistem und weltoffenem Kosmopoliten?
Sehr viel. Ich hisse zwar nicht täglich die österreichische Fahne, empfinde aber eine tiefe und seit vielen Jahren erneut wachsende Verbundenheit. Die spüre ich bei jedem meiner zu seltenen Besuche in Österreich. Oder wenn Bettina Distel vom Wiener Wohnzimmer ihren Speiseplan rezitiert.
- Was macht für Sie bis heute die Faszination Schreiben aus?
Das verstehe ich selber nicht wirklich. Ich weiß nur: Wenn mir ein Text gelingt, den ich für gelungen halte, ist der Tag ein glücklicher Tag, egal wie beschissen es mir sonst geht.
- In welchen Situationen oder Stimmungen fließen die Zeilen besonders gut?
Bei der Arbeit an einem Roman brauche ich normalerweise ca. eine Stunde Anlauf, bis ich in Gang komme. Wenn ich also genügend Zeit habe, ausgeruht bin und mich niemand unterbricht, dann läuft es, egal wo.
- Was hat Sie vom Journalisten zum Offizier für UN-Missionen gebracht?
Es war umgekehrt. Mein erster Berufswunsch war Offizier. Die Matura (Abitur) machte ich an einem Militärgymnasium. Dort merkte ich allerdings, dass der Kasernenalltag als Lebensperspektive nicht in Frage kam. Darum suchte ich nach einem Beruf, wo ich der Leidenschaft des Schreibens nachgehen konnte. In den Journalismus bin ich mehr geschlittert als sonstwas. Offizier wurde ich übrigens trotzdem, nur halt nicht als Hauptberuf. Die UN-Einsätze waren dann die interessanteste Erfahrung, die mir in diesem Bereich offenstand.
- Ihr beruflicher Lebensweg weist zahlreiche “Rastplätze” auf: Sie waren Buchhändler, dann in einer Werbeagentur, arbeiten nun als Steuerexperte in Palma… was treibt Sie an: Die Neugier oder die Sehnsucht?
Neugier mit Sicherheit, aber auch ein widersprüchlicher Drang. Einerseits bin ich an zu vielem interessiert, um ein Leben lang nur eine berufliche Realität auszuleben. Andererseits war es immer mein Ehrgeiz, in mindestens einem Fachbereich abseits des Textemachens das Oberflächliche zu durchbrechen und ein Experte zu werden. Die daraus resultierenden Neuanfänge kosten bestialisch Energie, geben aber auch viel. In meinen jetzigen und anfangs für mich vollkommen neuen Beruf bin ich mit 52 Jahren eingestiegen. Die einzige Konstante ist die Schriftstellerei, seit ich mit zehn Jahren meinen ersten Roman verfasst habe.
- Seit 1995 leben Sie fest auf Mallorca. Wie definieren Sie – auch vor der jahrelangen Reisetätigkeit – den Begriff “Ankommen”?
Reisen ist unendlich faszinierend und stimulierend. Ich finde es aber auch mental sehr anstrengend, in einem unbekannten Umfeld jeden Tag neu zu erfinden. Ankommen bedeutet, dass diese Anstrengung wegfällt und die Energie für anderes frei wird. Man wird produktiver. Der Preis dafür ist die Routine.
- Welche Ereignisse oder Erlebnisse Ihres Lebens haben Sie besonders geprägt?
Natürlich die Geburt meiner drei Kinder. Abgesehen davon sind die intensivsten Erlebnisse ja immer Liebesbeziehungen. Zwei besonders prägende und irgendwie auch traumatische durchlebte ich parallel zu gesamthaften Lebenserfahrungen in Mexiko und Nahost. In Mexiko tauchte ich erstmals tief in eine fremde Kultur ein, die mich total verhexte. In Tel Aviv arbeitete ich während der irakischen Raketenbombardements im Golfkrieg 1991 als Korrespondent für ein österreichisches Magazin, später im Libanon als UN-Beobachter in einer Konfliktzone.
- Über welches Thema würden Sie gerne einmal schreiben, haben das aber bislang immer aufgeschoben?
Beim letzten Treffen habe ich meiner Agentin mehr als 30 Buchideen vorgelegt, auf die ich richtig Lust habe. Es macht mich verrückt, dass ich zu wenig Zeit finde, sie alle umzusetzen. Zu meinen Lieblingsprojekten gehört ein Sherlock-Holmes-Roman, der allerdings viel Recherche-Arbeit verlangen wird – wieder eine Zeitfrage. Fun Fact: Ich besuchte als Kind dieselben Schule wie der Schöpfer dieser Figur, Arthur Conan Doyle. Ein Jesuiten-Internat in Vorarlberg. Nur halt ein Jahrhundert später.
Marc Fischer