Mein Verhältnis zu Hunden beschränkt sich im Wesentlichen auf das Bemühen, weder gebissen noch angesabbert zu werden. Beim Wandern in den Pyrenäen wurde ich beim Betreten eines angeblich verlassenen Dorfes von einem weißen Baskerville-Bello bedroht, der frei herumlief und zwischen Ruinen sein unsichtbares Territorium verteidigte. Das erklärte mir zumindest sein Eigentümer, der sich dort eingenistet hatte, ein Zahnloser mit Rastazotteln, den ich beim morgendlichen Genusspinkeln überraschte. „Er ist ganz zahm“, beschrieb er das knurrende Monster, „tut nur seinen Job.“ Und ich dachte: Genau wie das Militär, Gesten zur Abschreckung und dann eventuell Gewalt.
Der Zahnlose zeigte mir netterweise den korrekten Weg aus dem Dorf. Dieser übrigens offiziell ausgewiesene Wanderweg führte am Haus eines noch schlafenden Nachbarn vorbei, dessen noch größerer und militärischerer Hund ebenfalls Patrouille ging und knurrend an mir hochsprang, vermutlich um mein Aftershave zu checken, und wehe, es ist nicht das Richtige. „Jetzt hast du ihn geweckt“, verabschiedete sich der Rasta vorwurfsvoll, nachdem mich die pyrenäische Kampfdogge taub gebellt hatte. Das tat mir dann aber echt leid, dass ich die Nachtruhe des Hundebesitzers gestört hatte. Zum Glück hat mich der Hund nicht zerfleischt, das hätte womöglich noch mehr Krach gemacht.
Immerhin verließ ich das Dorf unversehrt und beim Abstieg ins Tal wanderten meine Gedanken in den Park Bellver in Palma. Dort gehen die meisten Hunde an der Leine. (Der einzige, der mir einmal mit manifesten Mordabsichten nachstellte, war so winzig, dass zur Abwehr eine Fliegenklatsche ausgereicht hätte). Die meisten Lebewesen am anderen Ende der Leine, also die Menschen, sind hingegen in ihre Smartphones vertieft.
Nun könnte man einwerfen: Was willst du schon Konversation machen mit einem Pudel? Zu kurz gedacht! Genauso wie ich es traurig finde, wenn eine Familie in kollektivem Autismus die Smartphones anstarrt (deshalb schickte ich kürzlich eine Whatsapp an meinen Sohn, er solle gefälligst nicht dauernd in sein Handy gucken, wenn er neben mir sitzt), genauso brauchen Hunde ein Minimum an Interaktion. Eine Studie hat ergeben, dass das Vertrauen zwischen Mensch und Hund im direkten Zusammenhang mit der Dauer der Blickkontakte steht. Die Statistik ist traurig, seit es Smartphones gibt.
Aber wenn Gassigehen eine lästige Pflichtübung ist, die nur mit Internet ertragen werden kann, sollten fairerweise auch die Hunde ein smartes Gadget bekommen. Nach dem Motto: An der Leine und Online. Natürlich nicht zum Winseldialog mit Gleichgesinnten. Ich dachte eher an ein Gerät mit „augmented reality“. Die Wuffis könnten zum Beispiel einem Pokemon-Briefträger nachjagen und in den gepixelten Allerwertesten beißen. Apple hat doch gerade so ein Ding herausgebracht. Der Wirtschaftsprofessor Scott Galloway prophezeit dem „Vision Pro“ (Gott, ist der Name cool) einen der seltenen kommerziellen Fehlschläge der Techno-Fetisch-Fabrik.
Aber eben nur bei Menschen. Mit der Schwanzwedelfraktion könnte Apple hingegen eine neue Zielgruppe erschließen. Und das Beste: Den traurigen Blick, mit dem sie bei Herrchen/Frauchen alles kriegen, haben Hunde super drauf. Sie müssen nur warten, bis Herrchen/Frauchen mal vom Handy aufblickt.
Kolumne in der Inselzeitung September 2023