Bei der Osterprozession in Palma habe ich wieder etwas gelernt. Zum Beispiel habe ich einen hautnahen Eindruck davon erhalten, was es bedeutet, ein mehrere hundert Kilo schweres Heiligenbild durch die Straßen zu tragen. Später fand ich eine Info, wonach das schwerste tragbare Prozessions-Heiligenbild Spaniens in Alicante gewuppt wird, von 225 Trägern, weil satte dreitausend Kilo, meine Bandscheiben knirschen beim bloßen Lesen Gedanken. Wer das erhebende Gefühl teilen möchte: Die „Hermandad de la Santa Cena“ nimmt bestimmt gerne zusätzliche Muskelchristen auf.
In Palma war es nicht leichter, aber doch weniger schwer. Einige Bruderschaften tricksten mit Rädern, ihre Heiligenbilder hatten hinten sogar ein diskretes Lenkrad. Das Marienbild, das im Carrer de Colón vor mir stoppte, war von moderater Größe und wog bestimmt nur wenige hundert Kilo. Aber die Träger waren nach einer kurzen Strecke total ausgepowert und wurden während des Boxenstopps von Helfern mit Wasser und leistungssteigernden Lutschbonbons versorgt. Nun verstand ich auch, warum der Zug immer wieder Halt machte und das Publikum bei jedem Stopp und Neustart so ermutigend applaudierte. Das Video zeigt, wie die Jungs das Ding wieder in die Höhe hieven und im streng synchronisierten Gleichschritt davonwackeln. Das heißt: Eigentlich sieht man gar nichts, die Träger werken ja unter Tüchern versteckt. Aber es ist ahnbar, was das für eine Anstrengung sein muss. Indirekt beweist es das Foto: Die Beine eines erschöpften Büßers ragen unter dem Heiligenbild hervor.
PS: Ich gebe zu, dass mich die Prozession bewegt hat. Als seit Jahrzehnten praktizierender Teilzeit-Agnostiker habe ich schon vor langem beschlossen, der eigenen Ursprungsreligion denselben Respekt und dieselbe Toleranz zu widmen wie fremden Religionen, und keine rassisch oder anderweitig begründete Unterschiede zu machen in meiner Feindseligkeit, wenn sie auf grundlegenden Freiheits- oder Menschenrechten herumtrampeln.
Zum Video geht es HIER.