Als Besserwisser weiß ich mich in der Kohorte der bedingt sympathischen Zeitgenossen eingeordnet. Dass es zum Besserwissen auch Wissen braucht, ist ein Gerücht. Somit steht meinem Drang nicht mehr im Weg als die Sorge ums Image.

Meine naturwidrige Zurückhaltung wird jedoch gelegentlich auf eine allzu harte Probe gestellt. Meine krasseste Besserwisser-Performance fand in Brandeis statt. Dieses Städtchen bei Prag schmückt sich mit einem Schloss, das der Stammsitz eines auf Mallorca sehr bekannten Adeligen war: Erzherzog Ludwig Salvator. Ein Familienbesuch in der tschechischen Hauptstadt bot mir die Gelegenheit, diesen mythischen Ort zu besuchen. So viel hatte ich von Brandeis gehört, dass mich Ehrfurcht durchwallte, als ich das Tor durchschritt und mich für eine Führung anmeldete.

Der Führer war ein junger Kerl, der mir ein paar Blätter aushändigte, auf denen sein Text auf Englisch ausgedruckt war. Zwar konnte er Englisch, aber da ich der einzige Nichttscheche in der Gruppe war, wollte er sich die Mühe sparen. Also musste ich der munter plappernden Gruppe einsam lesend hinterherschlurfen. Ich beschloss, ihm die Kutsche zu retournieren.

Die Gelegenheit ergab sich, als die Sprache auf die Besitzverhältnisse kam. Brav betete der průvodce cizinců (ha!) die Eigentümer herunter bis zu Karl I. Dass der Tscheche freundliche Worte über den letzten Kaiser der Ungarisch-Österreichischen Monarchie fand, brachte ihm Punkte ein, konnte ihn aber nicht retten. Denn ich hatte die Bresche in der Festung seines angepaukten Fremdenführerwissens gefunden.

Mit scheinheiliger Grübelmiene fragte ich: „Wenn Ludwig Salvator, der vorletzte Eigentümer, 1915 gestorben ist, das Schloss aber erst 1917 vom letzten Eigentümer, also Karl dem Ersten, gekauft wurde – wem gehörte es dann zwischen 1915 und 1917?“

Prompt zappelte der Führer am Haken. „Wie Sie wissen“, gab er sich wissend, „waren das die Jahre des Krieges.“

„Ja“, erwiderte ich nicht minder wissend. „Aber wem hat Kaiser Karl das Schloss abgekauft? Der Erzherzog lebte ja nicht mehr. Irgendjemandem muss es doch gehört haben.“

Der Mann schwurbelte herum, bis ich die Tarnung fallen ließ und das Füllhorn meines Besserwissens zückte: „Ich kann es Ihnen erzählen.“

Dass der Schlossführer die wohl verrückteste Anekdote dieses geschichtsträchtigen Gemäuers nicht kannte, ist eine Anekdote für sich. Gerne erklärte ich diese meine liebste Mallorca-Schrulle. Kaiser Karl kaufte das Schloss nämlich einem Mallorquiner ab. Konkret dem Herrn Antoni Vives, Sohn einer bescheidenen Familie aus Deià, der den Erzherzog über viele Jahre als Privatsekretär begleitet hatte. Es war das einzige Mal in der Geschichte der Dynastie, dass ein Habsburger sein Erbe einer familienfremden Person vermachte. Warum – das ist eine Anekdote für sich.

Acht Millionen Kronen erhielten Vives und seine Familie für Brandeis. Mit bündelweise Geldscheinen im Gepäck durchquerten die Insulaner halb Europa, um heimzukehren. Als sie auf Mallorca ankamen, war das Reich zusammengebrochen und die Währung nichts mehr wert.

Der Führer verzog das Gesicht, wog den Kopf und meinte: „Kann sein, dass es so war.“

Manchmal bin ich stolz darauf, wie gut ich meinen Mittelfinger unter Kontrolle habe.

Kolumne in der Inselzeitung März 2025