Mittlerweile bin ich beinahe stolz auf meine Fähigkeiten, mit Hilfe einer Wander-App auch komplizierte Routen zu bewältigen. Enthusiasten laden dort ihre mehr oder weniger detaillierte Wegbeschreibungen hoch. Besonders faszinieren mich einige Mallorquiner, die recht hemdsärmelig damit umgehen, dass gut 90 Prozent der Inselfläche in Privateigentum steht, inklusive etlicher Berge und Täler. An der Wanderroute auf Mallorcas zweithöchsten Berg, den Puig de Massanella, erheben die Eigentümer sogar eine Maut: 4 Euro Einheimische, 6 Euro Guïris. Andere Wege sind gar nicht oder nur mit Sondergenehmigung passierbar.
Einige Rucksack-Insulaner machen allerdings keinen Hehl daraus, dass ihnen die „Durchgang verboten“-Schilder mehr als Orientierungspunkte dienen denn als Routenstopper. Ich fantasiere hier mal eine mallorquinische Wanderbeschreibung zusammen, wobei ich gelegentlich nur ganz wenig übertreibe:
„Wir lassen das Auto am Ortseingang, wo der Straßenrand ausreichend Platz bietet. Sodann lenken wir unsere Schritte auf einen Feldweg, der vorbei an einem Landsitz Richtung Waldrand führt. Nach 500 Metern gelangen wir an ein Tor mit der Aufschrift: ‚Privateigentum! Zutritt strengstens verboten!‘ Der Zaun weist nach knapp 50 Metern rechterhand eine Stelle auf, an der man über einen Steinhaufen leicht auf die andere Seite gelangt. Wir durchqueren den Wald und einen Sturzwassergraben und befinden uns nach Überwinden eines weiteren Tors, das sich problemlos öffnen lässt, auf dem offiziellen Weitwanderweg von Damunt nach Davall.“
„Auf diesem gehen wir ein paar Schritte und biegen dann nach einer markanten Felsformation linkerhand in einen schwer erkennbaren Pfad ein, der uns durch ein Loch in einem Zaun über ein weiteres Privatgrundstück in Richtung Puig de Ximbomba führt. Obwohl es sich um ein selten genutztes Ferienhaus einer bekannten Familie der Insel handelt, sollte man nicht zu viel Lärm machen. Wird man trotz aller Diskretion vom Eigentümer angetroffen, empfiehlt sich eine freundliche Konversation (unbedingt auf Mallorquinisch!), wobei wir bei einer Gelegenheit den Eindruck gewonnen haben, dass ein Mitglied unserer Gruppe die anfangs geladene Atmosphäre entschärfen konnte, weil er denselben lokalen Dialekt sprach wie der Eigentümer.“
„Auch der Puig de Ximbomba steht in Privatbesitz, aber wir haben dort noch nie jemanden getroffen. Die wenigen sichtbaren „Paso prohibido“-Schilder sind zum Großteil verwittert und kaum noch lesbar. Der Rückweg führt über die andere Seite des Berges, wo wir neuerlich auf ein umzäuntes Anwesen treffen. Dieses durchqueren wir durch bedecktes Gelände, wobei wir diskretes Verhalten und präzises Timing empfehlen. Die Eigentümer halten Kampfhunde, die während ihrer Fütterung zwischen 13 und 13.30 Uhr weniger wachsam sind. Eine halbe Stunde ist mehr als ausreichend, um diesen Abschnitt zu bewältigen. Auf der anderen Seite des Grundstücks ist präzise Orientierung gefragt, da die Überquerung des hier weit höheren Zauns nur über einen umgestürzten Baum möglich ist. Für den Fall, dass dieser entfernt wurde, die Überquerung unmöglich ist und man auf demselben Weg zurückkehren muss, empfiehlt sich, eine Portion Friskies mitzuführen.“
In diesem Sinn: Bona ruta!
Kolumne in der Inselzeitung April 2025