Elon Musk schickt eine bemannte Mission zum Mars. Die Astronauten stellen verblüfft fest, dass es dort tatsächlich Leben gibt. Dank KI können sich die Menschen rasch mit den Marsianern verständigen. Und die erste Frage, die ein Außerirdischer an einen Menschen stellt, lautet: Bist du Fan von Barça oder Madrid?

Absurder Gedanke? Als ich vor vielen Jahren für die UNO in der Westsahara herumpatrouillierte, begegnete ich einmal mitten in der Wüste zwei Polisario-Kämpfern in einem Geländewagen. Sie stoppten, wir stoppten, und wir machten, was man so macht in der Sahara: Smalltalk. Als ich zu erkennen gab, dass ich in Spanien wohnte, leuchteten die Augen des einen Wüstensohnes auf und er rief aus: „Aaah! Barça o Madrid?“

Der Außerirdische bei dieser Szene war ich. Bis zu diesem Moment hatte ich den spanischen Fußball nicht nur als globales gesellschaftsprägendes Phänomen nicht wahrgenommen, sondern überhaupt nicht. Unter anderem deshalb, weil die Spanier damals eh dauernd verloren. Dann ergab sich, dass ich als Reporter eine Pressekarte für ein Spiel von Real Mallorca gegen Real Madrid bekam und mir das Spiel aus Neugierde anguckte. Die Partie fand im Stadion Son Moix in Palma statt, und dabei geschah etwas in meinen Augen und Ohren höchst Befremdliches: Beim ersten Tor von Real Madrid jubelte das halbe Stadion. Bald fand ich heraus, dass es in jedem Inselkaff einen Fanklub für Real Madrid und einen für Barcelona gibt, und dass diese „Peñas“ den illustren Besuchern beinahe Heimspielatmosphäre bescheren. Weil – so dämmerte es mir – die Menschheit von den Spaniern nicht in Männer und Frauen, Schwarze und Weiße, Reiche und Arme oder in Menschen unterteilt wird, die entweder Amerika zerstören und dorthin auswandern wollen, sondern in Fans von FC Barcelona und Fans von Real Madrid.

Welche Emotionen das auslöst, wurde mir beim vorletzten „Clásico“ klar. (So bescheiden werden die direkten Begegnungen der beiden genannt – für die zwei, drei Leser, die das nicht parat haben). Ich sah mir die reguläre Spielzeit des Cup-Finales in einer Bar in Palma an. Als das Spiel in die Verlängerung ging, war ich zu müde, um weiterzuschauen (bleibt unter uns) und ich spazierte zu meinem Auto, das ich in der Nähe der Ringautobahn geparkt hatte. Wie ich den Wagen aufschloss, hörte ich plötzlich aus dem Landesgefängnis von der anderen Seite der Vía Cintura mächtigen Jubel, durch alle Mauern hindurch, dem Komplex wollte es schier das blaue Dach wegblasen. Siegestor für Barcelona. Glückliche Gefängnisinsassen. Was Fußball alles kann.

Was an der Rivalität der beiden Giganten so kurios ist: Kaum jemand weiß, dass der FC Barcelona, heute gefeiert als Symbol der katalanischen Identität, von einem Schweizer gegründet wurde (Hans Gamper), und zwei von den drei Real-Madrid-Gründern Katalanen waren (die Gebrüder Padrós). Ebenso witzig erscheint aus heutiger Sicht, dass Atletico Madrid, die zweite große Mannschaft der spanischen Hauptstadt, ursprünglich als Ableger eines baskischen Vereins ins Leben gerufen wurde (Athletic de Bilbao).

Sollten Sie die wesentlichen Eckdaten des spanischen Fußballs vergessen, kann Ihnen sehr wahrscheinlich ein beliebiger Passant in jeder beliebigen Großstadt der Welt weiterhelfen. Oder Sie fragen ein Marsmännchen.

Geständnis: Das Motivfoto entstand in Palmas größtem Fußballstadion bei einer Begegnung Real Mallorca – Real Madrid. Die Wahnsinnspreise, die für Clásico-Tickets bezahlt werden, liegen außerhalb meiner Kaufkraft-Reichweite.

Kolumne in der Inselzeitung Juni 2025