Durchaus originell, die Sprachschöpfungen von Mallorcas Gastronomie. In Palma gab es eine Bar namens „El Diablo“, der Teufel. Das Originelle war, dass sie direkt neben einer Kirche stand. Leider gibt es die Bar nicht mehr, offenbar hat ein Exorzismus stattgefunden, daher kann ich dieses polarisierte Nachbarschaftsverhältnis nicht mehr dokumentieren. Die Namensgebung grenzt an Guerilla-Marketing, denn die Bar kommt jedem in den Sinn, wenn ihm gesagt wird: Geh zum Teufel. Sofern er sie denn kennt.
In Sencelles gibt es eine Pizzeria, die sich „Ca’s Arquitecte“ nennt, „Haus des Architekten“. Die Website dieses atmosphärisch angenehmen Restaurants listet zwei Produktschienen: Pizzas und Architektur-Dienste. Wie effizient die Pizzeria Baugenehmigungen besorgt und Umbauten plant, kann ich nicht sagen. Aber dass das Architektenbüro gute Pizzas macht, habe ich persönlich feststellen können.
Warum ich darauf zu sprechen komme: Die Pizzas tragen keine pizzigen Namen wie Margarita, Quattro Formaggi oder Capricciosa sondern heißen „Le Corbusier“ (Tomate, Mozzarella, Basilikum, Oregano) oder „Mies van der Rohe“ (Tomate, Mozzarella, Würstchen, Ei, Oregano). Wer zu Meeresfrüchten tendiert, muss eine „Toyo Ito“ bestellen, während sich für Hühnchen „Rogers“ empfiehlt. „Zaha Hadid“ kommt ohne Speck, während dem guten alten „Guillem Sagrera“, Erbauer der Lonja in Palma, die lokale Sobrassada-Note vorbehalten ist. Sie haben sich was gedacht bei ihren Pizzas, die Architekten.
Pizzas scheinen generell das Eigenbrötlerische (ha!) zu fördern. In Port d’Alcudia gab es eine sehr gute Pizzeria, man konnte dem Pizzero bei der Teig-Akrobatik am Steinofen zusehen, aber auch die beeindruckende Schwarzweiß-Fotogalerie bestaunen, wo neben wundervollen Bildern von Segelyachten auch Hollywood-Größen der Vergangenheit zu sehen waren sowie ein Schnappschuss von Benito Mussolini bei einem Besuch verwundeter Soldaten in einem Krankenhaus. Das Restaurant gibt es noch. Ich bin aber seit dessen Umzug an einen neuen Standort nie wieder hingegangen und weiß daher nicht, ob der italienische Diktator noch immer von der Wand lächelt.
Ebenfalls in die Vergangenheit wies der Name des Nobel-Restaurants in der gescheiterten Kommerzgalerie Riskal in Palma: „Titantic“. Bei einem Presse-Essen fragte ich meinen Tischnachbarn, was er davon hielt. Sein Urteil: „Klingt wie etwas, das schlecht endet.“ Kurz danach schloss das Zentrum.
Manchmal legt die Aktualität einen gemeinen Hinterhalt, wie das die Betreiber des „Hostal Corona“ in Palmas Terreno-Viertel erleben mussten
Meinen Favoriten habe ich jedoch wenige Schritte von meinem Haus gefunden. Das Restaurant trägt den Namen „Notenom“, was katalanisch ist und so viel bedeutet wie „Hat keinen Namen“. Das erinnert an Gemälde mit dem Titel „ohne Titel“, birgt somit künstlerischen Anspruch. Das alleine wäre schräg genug. Aber als ich erstmals beschloss, dort mal Pizza zu probieren, stieß ich auf eine mit dem Namen „Encara no ho sé“ – „Ich weiß noch nicht“. Möglicherweise eine augenzwinkernde Anspielung auf nervige Kunden, die auf die Frage „Was darf’s denn sein?“, immer wieder diese Antwort geben. Vorsicht also.
Obwohl ich die „Ich weiß noch nicht“-Pizza im „Hat keinen Namen“-Restaurant wärmstens empfehlen kann.
Kolumne in der Inselzeitung August 2024
Das Foto zeigt die Seehandelsbörse von Palma, das berühmteste Bauwerk von Guillem Sagrera, nach dem der Abschnitt des Küstenboulevards benannt ist und eben auch eine Pizza in der Architekten-Pizzeria von Sencelles.