Kürzlich beim Joggen vor Sonnenaufgang sah ich eine Kolonne von mehr als dreißig strahlenden Punkten über den Himmel ziehen. Später erfuhr ich, dass es sich um eine Ladung Satelliten von Elon Musk handelte. Mein erster und viel näher liegender Gedanke war, dass ein Geschwader Ufos unterwegs war. Nahe liegend deshalb, weil jeder einigermaßen informierte Mensch weiß, dass Mallorca nicht nur von Deutschen und Briten und Millionären, sondern auch von Außerirdischen gerne angeflogen wird.

Andererseits war mein erster Gedanke dann auch wieder nicht so nahe liegend, denn die Lichterkette zog brav ihre Bahn, während man von Ufos originellere Flugmanöver erwarten darf.

Seit Urzeiten hat die Insel eine enge Beziehung zu Außerirdischen. Schon Erich von Däniken wies auf die suspekte Ähnlichkeit zwischen Ensaimadas und fliegenden Untertassen hin (siehe sein Essay: „Auch Marsmenschen lieben Sonne und Strand“, Zürich, 1993). Ein findiger Zeitungsverleger war es, der in den 70er Jahren einen mutmaßlichen Betriebsausflug der Extraterrestrischen nutzte, um die beliebte Linienverbindung Andromeda – Sóller bekannt zu machen. Böse Zungen behaupten, dass der Pressemanager nur die Auflage steigern wollte und einen seiner Fotografen anstiftete, mit Hilfe einer Nachttischlampe Fotos von „leuchtenden Fluggkörpern“ zu fabrizieren. Doch schon damals wurde darüber, was wahr ist und was nicht, demokratisch abgestimmt. Tausende pilgerten zu den Tramuntana-Stauseen, auf oder in oder bei denen das Auf- oder Untertauchen von Raumschiffen erwartet wurde. Die unheimliche Begegnung der dritten Art fand nicht statt, aber die Stimmung war überirdisch. Und ja – die Auflage schoss nach oben wie eine Falcon Heavy von Elon.

Nun sollte ich beim Thema Ufo die Spottflinte im Waffenschrank lassen. Ich habe ja selber mal eins gesehen. Es geschah während einer Autofahrt vom Inselinneren nach Palma, wo meine Freundin und ich zu einer Party eingeladen waren. Ein hell strahlendes Objekt schwebte minutenlang nahe der Einflugschneise des Flughafens statisch in der Luft. Sehr mysteriös.

Auf dem Fest hielten wir den Mund, damit man uns nicht für noch seltsamer hielt als wir eh schon waren. Aber als die Atmosphäre locker wurde, erzählte einer aus der Runde, er hätte kurz vor der Party etwas gesehen, was er nicht einordnen konnte. Das Eis war gebrochen. Einer nach dem anderen rückte mit der Sprache heraus. Tatsächlich hatten nahezu alle Gäste das Ufo gesehen, aber aus demselben Grund wie wir anfangs nicht darüber sprechen wollen. (Das will was heißen bei diesem Bedarf an Gesprächsthemen auf einer Party).

Seither ist es Ufo-mäßig ruhig geworden. Vielleicht hat Mallorca im Marktsegment der Space-Traveller das klassische Schicksal allzu beliebter Reiseziele erlitten: Am Erfolg erstickt, zu viel Rummel, die Touristen suchen etwas Neues. Damit wird jeder erdähnliche Planet zu einem Konkurrenten für Mallorca. Das ist hart: Die Nasa schätzt, dass es davon 10 Milliarden gibt.

Kolumne in der Inselzeitung April 2021