“The happy isles of Oceania – paddling the Pacific” von Paul Theroux

Paul Theroux ist zwar auch für seine Romane bekannt, doch als Reiseschriftsteller steht er recht einsam auf dem Podium der Weltliteratur. Dass ich ausgerechnet seine Beschreibung einer Tour durch den Pazifik wähle, ist Willkür. Denn egal, welches seiner Reisebücher man in die Hand nimmt, jedes ist brilliant. Möglicherweise hätte ich für diese Auswahl „Dark Star Safari“ bevorzugt, worin er eine Nord-Süd-Durchquerung Afrikas schildert, hätte ich dieses Buch nicht vor vielen Jahren unvorsichtigerweise ausgeliehen …

Was macht Theroux so besonders? Für mich ist es eine perfekte Mischung aus Erlebnisbericht, Beschreibung und exzellent gewählter, breit aufgestellter Hintergrundinformation in ausreichendem, aber nie übertriebenem Umfang: Politik, Kultur, Wirtschaft, Geschichte, Aktualität, und auch Tratsch. In „The happy isles of Oceania“ ist er oft mit einem mitgebrachten Faltboot unterwegs, paddelt also tatsächlich durch den Pazifik, von Insel zu Insel, womit er in diesem Buch das Abenteuer-Element gut bedienen kann. Daneben dokumentiert sich der Amerikaner gründlich und wirft sein scheinbar unendlich großes Beziehungsnetz aus, um interessante Personen zu treffen, die ihm Interessantes über das Land, die Menschen, die Geschichte erzählen.

Darüber hinaus gefällt mir sein unbestechlicher Blick auf die Realität. Theroux ist Humanist und er hat eine romantische Ader, ein Auge für Schönheit. Doch er ist nicht naiv. Er hat auch ein Auge für das Hässliche, die Widersprüche, die dunklen Seiten. Vielleicht ist sein Ozeanien-Buch das beste Schaustück für genau diese Qualität, denn hier bereist er eine Region, die im kollektiven Bewusstsein als Paradies wahrgenommen wird. Und wir wissen, wie das mit Paradiesen so ist. Mit kritischem Feingefühl geht er auf die Eigenheiten der Bewohner ein.

Die Auswahl der präsentierten Fakten suggeriert, dass Theroux aus einer unglaublichen Menge an Material schöpft, dass somit die Qualität seiner Bücher nicht alleine einer meisterhaften Schreibe geschuldet ist, sondern auch einer Eigenschaft, die ein Autor haben sollte, aber nicht immer hat: enormer Fleiß. Mein Lieblingszitat ist ein gutes Beispiel für einen solchen Perlenfund.

MEIN LIEBLINGSZITAT

Theroux beschreibt eine Begegnung mit Eingeborenen der Guugu Yimidirrh, jenen Aborigines, die dem Entdecker James Cook die ersten 50 Vokabeln einer australischen Eingeborenen-Sprache ins Tagebuch diktiert haben, darunter das Wort Känguruh. Um das Vokabular geht es auch in meinem Lieblingszitat: „They had no word for love. For the Guugu Yimidirrh friendship was everything, the strongest bond in the world. Marriage was regarded as a bond of friendship, not love. This surprised the missionaries, who thumped them over the head with the Christian Bible and turned many of them into Lutherans. Yet even the missionaries could not change the language, and the expression “I love Jesus” they rendered as “Jesus is my best friend”.

NEBENBEI ERWÄHNT

Wenn ich an Theroux jemals etwas aussetzen konnte, dann war es eine Passage seines Buchs „The Pillars of Hercules“ über seine Reise rund um das Mittelmeer. Tatsächlich setzt er an einem Punkt nach Mallorca über, wo ihn offenbar mehr als alles andere beeindruckte, dass an Kiosken Pornohefte öffentlich zum Kauf angeboten wurde. Hatte wohl einen schlechten Tag …