Roman Rotbuch, 1998
421 Seiten
ISBN 3-88022-650-4

Rita Kleefman ist Ermittlerin einer auf riskante Operationen spezialisierten Versicherungsgesellschaft. Früher war sie unter dem Spitznamen „Füchsin“ für ihr Draufgängertum bekannt. Seit sie in den Hinterhalt eines libanesischen Schmugglerclans geriet, ist sie jedoch nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Als in Mexiko ein hoch versicherter aztekischer Artefakt verschwindet, wird Rita auf den Fall angesetzt. Die Magie des Landes gibt ihr die Kraft, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen und noch einmal als „Füchsin“ zu ermitteln. Doch was wie ein simpler Diebstahl aussieht, erweist sich als eine komplexe Verschwörung, hinter der ein 500 Jahre altes Rätsel steht.

Hintergrund:
Mein Debütroman, an dem ich über acht Jahre lang gearbeitet habe, ist von einem zweijährigen Aufenthalt in Mexiko inspiriert. Dort studierte ich u.a. mexikanische Geschichte und Kultur und war als archäologischer Reiseleiter tätig. Die faszinierende Geschichte der prähispanischen Kulturen, die Eroberung Mexikos durch Cortés und die Gegenwartsrealität dieses Landes fließen in einen Roman ein, der ursprünglich als Filmidee konzipiert war.

Leseprobe „Die Kaktuspflückerin“
Man kann, von Pachuca kommend, die ganze Stadt von Norden nach Süden durchqueren – runde vierzig Kilometer – und weiterfahren nach Cuernavaca und Acapulco und dabei immer auf derselben Straße bleiben, ohne auch nur einmal abzubiegen: der Insurgentes, die sich nach dem Passieren der Universitäts-Konzerthalle „Sala Netzaualcoyotl“ zur Linken, der Perisur-Einkaufsstadt zur Rechten, der 3000 Jahre alten Cuicuilco-Pyramide wieder zur Linken, einem modernen Herzspital zur Rechten, dann durch ein Wohn- und Geschäftsviertel sanft bergauf kurvend, nach Ende der leichten und Beginn der starken Steigung plötzlich Bundesstraße 95 nennt. Links dann hinter dem hügeligen, dichtbewachsenen Manövergelände die futuristischen Betontempel der Militärakademie, dann die Mautstation, von Soldaten und Polizisten mit Sturmgewehren bewacht, und dann vier-, bisweilen sechsspurig hinauf bis auf 3200 Meter Höhe, vorbei an den dörflichen Randsiedlungen der großen Mutter Mexiko-Stadt, vorbei an Nadelwäldern und Feldern und Äckern, die alle noch zum Distrito Federal gehören, vorbei am Dorf „Tres Marias“, das nur aus Esslokalen zu bestehen scheint, beidseits der Straße aufgereiht zur Versorgung der Reisenden, und dann in Serpentinen hinunter ins Tal, in der Ferne der weiße Gipfel des Popocatepetl und die runden, hochaufragenden Hügel rund um Tepozotlán, und unten auf 1700 Metern das ewig blühende Cuernavaca, ein Dorf von der Ausdehnung einer Großstadt, mit seinen traditionell schlechten, verwirrenden, sich durch Täler und alte Stadtteile quälenden Straßen, seiner Industriezone mit japanischen Fabriken, seinen vielen offenen und versteckten paradiesischen Winkeln voller Jacaranda und Bougainvilleas, eine Durchgangsstadt, die immer mehr Flüchtlingen aus der Smogwolke Asyl und Gringos Zuflucht vor dem Winter bietet.

Sie fuhren vorbei an einer Kaserne mit blankpolierten grünen Panzerwagen, über die schlecht reparierte, asphalt- und betongefleckte Kopfsteinpflasterstraße hinein ins Zentrum, wo sich der Verkehr bergauf bergab durch enge Gassen schob, in denen das Leben seinen Gang in durchaus erträglichem Tempo ging. Hier hatte der Conquistador a.D. Cortés als Fürst regiert, und hier hatte der unglückliche Kaiser Maximilian glückliche Stunden mit seiner „India Bonita“, seiner schönen Indio-Geliebten erlebt.

Rita zog ein Stück Papier aus ihrer Tasche und hielt es Oscar vor die Nase.

Er seufzte: „Du merkst dir auch alles.“
„Nicht alles, aber Einladungen wie die vergesse ich nicht. Der Gutschein“, sie wedelte mit dem Papier, „hat kein Ablaufdatum. Wo ist das fabulöse Lokal, in das du mich zur Wiedergutmachung deines schlechten Benehmens locken wolltest?“

„Nicht weit. Hm.“

„Was hmst du? Zu teuer?“
„Es ist teuer, aber wie ich sagte: Ich habe Rabatt. Nur meine ich, wir sollten zuerst meinen Lehrer aufsuchen. Ich sage dir ehrlich: In der Theorie klingt unser Vorhaben einigermaßen vernünftig, doch je näher wir der Verwirklichung kommen, um so mehr zweifle ich.“

„Warum?“
„Die Indios sind seltsam. Sie werden uns Ablehnung und Misstrauen spüren lassen. Diese Menschen haben mit Cachupines nur schlechte Erfahrungen gemacht.“

„Mit wem?“
„Mit Cachupines. Triefnasen. Bei uns ist das eine abschätzige Bezeichnung für Spanier. Und für die Nahuas ist jeder Weißer ein Spanier, auch wenn er Mexikaner ist. Meine Liebe, es wird Zeit, uns von der offiziellen Geschichtsschreibung zu verabschieden. Wir betreten ein Schlachtfeld. Die Conquista ist noch lange nicht vorüber.“