Ibiza-Jacques und der Tote im Kräutergarten
Krimi
Edel Elements, 2018
260 Seiten
ISBN 978-3-96215-194-2
Inhalt
Das alternative Dasein auf einer Finca im ländlichen Teil Ibizas ist zwar idyllisch, aber zum Leben reicht es oft nicht, zumal der Aussteiger und Späthippie Jakob Reinhauser „Ibiza-Jacques“ als alleinerziehender Vater drei Töchter zu versorgen hat. Daher ist er ganz froh, wenn gelegentlich die unverändert intakte Spürnase des ehemaligen Steuerfahnders gefragt ist. Auf diese Weise hat es „Ibiza-Jacques“ als Hobby-Detektiv zum lokalen Geheimtipp gebracht. Anfangs nur für kleine Fälle.
Dann ereignet sich auf dem streng gesicherten Anwesen der Rockstar-Tochter Mia Shortcut ein mysteriöser Mord. Weder die Polizei noch ein renommiertes Detektivbüro kommen bei den Ermittlungen weiter. Als der Verdacht auf das High-Society-Fräulein fällt, wird in einem Verzweiflungsakt der schrullige Althippie engagiert. Es ist Ibiza-Jacques‘ erster großer Fall und beinahe sein letzter.
Dass er von Anfang an wegen seines gewöhnungsbedürftigen Auftretens und seiner „Methoden“ als überbezahlter Clown gilt, ist noch sein geringstes Problem. Denn die Spuren führen in eine weit zurückliegende Vergangenheit und zu Dämonen der Gegenwart einer Insel, die nicht nur harmlose Exzentriker anzieht.
Hintergrund
Für eine Reportage-Serie über Ibiza recherchierte ich das Aussteiger- und Hippie-Phänomen. Dabei stieß ich u.a. auf eine soziologische Studie, die erklärt, warum sich ausgerechnet während des Franco- Regimes Intellektuelle, Künstler und Aussteiger aus aller Welt zu dieser spanischen Insel hingezogen fühlten. Das Thema faszinierte mich nachhaltig und war der Nährboden für die Idee eines Krimis in der bis heute bestehenden Szene der Althippies.
Leseprobe
Von Sigi Mommsen war Jacques die merkwürdigsten Reaktionen gewohnt, darum war er im Prinzip auf alles vorbereitet. Doch wie der alte Freund auf die Kunde von der Entdeckung reagierte, überraschte und verstörte ihn zutiefst.
„Aha“, knarrte Sigis Stimme aus dem Hörer und sagte dann ohne die leiseste Spur von Enthusiasmus, ja beinahe mit Skepsis: „Klingt ja interessant.“
„Bei dir alles in Ordnung?“ fragte Jacques besorgt.
„Friede und Fladenbrot“, erwiderte Sigi, was seine Art war, Ja zu sagen.
„Findest du das nicht interessant?“
„Habe ich eben gesagt, Bruder.“ Wieder zog Sigi seine Worte in die Länge, als ob er auf etwas lauern würde.
Ah, dachte Jacques. Sigi ist auf einem Trip. „Ich ruf dann besser in einer Weile an, wenn sich die Nebel gelichtet haben.“
„Keinste Nebel umschwaden mich, Bruder“, sagte Sigi. „Und keinste Weile tut not. Erzähl mir nur, auf welchen Boden dich deine Schritte getragen haben.“
Jacques grübelte. Sollte er Sigi von seinem Ermittlungsjob erzählen? Von seinem Honorar? Von seiner reichen Kundin? Lieber nicht, Sigis Achtung würde sinken, daher wich Jacques aus: „Ich treibe mich im Norden der Insel herum. Jemand hat mich um Rat gebeten.“ Das war gut, gratulierte er sich. Keine Lüge, aber auch keine Offenlegung.
„Als Ratgeber reisest du also nach Norden“, kam es aus dem Telefon. „Das deucht mich sehr großzügig von meinem Bruder. Betrifft der erheischte Rat ein gravierendes Dingsbums?“
Jacques seufzte. Sigi war schwer zu übertölpeln. So merkwürdig seine Ansichten waren, so abgefahren seine Sprechweise – die Antennen des Althippies nahmen trotzdem die winzigsten Signale auf.
„Ja“, gab Jacques zu. „Das Dingsbums ist gravierend, aber ich wollte dich damit nicht belästigen. Meine Entdeckung hat auch nichts mit dem Dingsbums zu tun.“
„Mir will scheinen, dass mein Bruder auf Irrpfaden wandelt“, sagte Sigi. „Hat er denn die Symbölchen gezählt im Sinne von einszweidrei und dann weiter so?“
„Nein, Hätte ich sollen?“
„Sollen muss man nur, wenn man will“, schob Sigi eine seiner Lieblingsphrasen ein.
Jacques blickte an die Decke und atmete tief ein. Sigis Retorik führte bei ihm gelegentlich zu einem Energiesturz. Seine Schultern sackten ab und er flehte: „Sigi, raus mit der Sprache, was ist los? Ich dachte, ich mache dir eine Freude.“
„Meine Freude kreist umfänglich um das Faktum deines telefonischen Vorbeischauens“, schwurbelte Sigi. „Das Vernehmen deiner Stimme streichelt meine Seelenstränge wie ein Bogen die Saiten einer Sarangi. Lass mich diesen ergötzenden Moment bejubeln.“ Der Alt-Hippie stimmte einen schrillen indischen Freudengesang an, der Jacques immer sehr belustigte, wenn er seinen Freund besuchte, aber nicht jetzt am Telefon. Trotzdem wartete er geduldig, bis Sigi zu Ende gejubelt hatte. Vom Haken lassen wollte er ihn jedoch nicht, daher sondierte er: „Ich könnte einen Besuch einrichten. Das Gelände ist nämlich privat.“
„Er gestatte mir, hinter die Wand seiner Sorgen zu blicken“, erwiderte Sigi. „Das Stück Erde gehört einem Betroffenen des gravierenden Dingsbums?“
„Jaaa“, gab Jacques genervt zu.
„Dann möge mein Bruder Gelassenheit und Vorsicht walten lassen.“
„Machen wir es kurz: Willst du das sehen oder vergessen wir es?“
„Wenn es denn hülft.“
„Natürlich hülft es“, verfiel Jacques ungewollt in den Mommsen-Sprech.
„Dann bleibe er ferne, bis ich denn kömme. Ist ihm das transparent?“
Nun ist Sigi vollkommen durchgedreht, dachte Jacques, als er auflegte.
Wahrscheinlich hatte der alte Freund gerade eine geballte Dosis seiner Levitationskräuter intus.