Warnung: Gemeinsame Ferien sind ein Stresstest für Beziehungen. Psychologen erklären das damit, dass insbesondere Hochgestresste in einer solchen Aus-Zeit erstmals dazu kommen, nachzudenken und sich ihren Partner im entzaubernden Licht des Urlaubs-Alltags genauer anzusehen. Entzaubernd deshalb, weil im Urlaub nicht zwangsläufig ein wundervoller Moment dem nächsten folgt. Der Ausbruch aus der Routine mündet immer wieder in unwundervolle Momente, die ergebnisoffene Bloßstellungen des Charakters erzwingen.
Urlaub ist eben nur ein Teilzeitparadies, irgendwann ist Schluss mit Hach. Das betrifft selbst Eigentümer von Megayachten. Oder gerade die. Man hat nach dreijähriger Bauzeit eben seine 90-Meter-Yacht erhalten und kreuzt damit stolz durch die Bucht von Palma, plötzlich taucht eine 91-Meter-Yacht auf – weg ist der Zauber. Dann suchen Erfolgs-Choleriker im Umfeld stellvertretende Opfer für ihren Frust. So heiß kann es selbst auf Mallorca nicht werden, dass man sich dann als Lebenspartner nicht warm anziehen muss.
Zurück zu den Beziehungskisten normaler Menschen: Im Urlaub hat man Zeit zum Reden. Darin stecken Gefahren, zumal die Ausrede „Ich hab jetzt zu tun, reden wir später, Bussi“ nur bedingt zieht. Beim Reden kommt man eventuell drauf, dass man weniger gemeinsam hat als angenommen. Und man entdeckt in den Momenten, da der Urlaub aus dem Drehbuch ausschert und mit den kleinen Krisen (der Bus kommt nicht, das Taxi kommt nicht, der Kellner kommt nicht, sie kommt nicht, er kommt zu früh …) die Beziehung dem unterzieht, was ein auf Mallorca weltbekannter Firmenlenker den „Rütteltest der Praxis“ nennt, man entdeckt also, dass die Harmonie eine Schönwettervariante ist. Ironisch, aber am Ende logisch, dass das ausgerechnet auf einer Schönwetterinsel evident wird.
Ich habe das beispielhaft mit vier Paaren erlebt, die uns auf Mallorca besucht haben und unmittelbar danach oder schon während des Aufenthaltes auseinandergebrochen sind. In einem Fall entdeckten wir am Morgen, dass der weibliche Part auf einem Sofa der Veranda übernachtet hatte, während im Doppelbett des Gästezimmers der jäh verschmähte männliche Part schnarchte. Zum Glück ging der Aufenthalt schon zu Ende, denn es bedrückt, aus der Nähe dem Ende einer Liebe zusehen zu müssen, oder – vielleicht noch schlimmer – dem krampfhaften Kaschieren eines solchen Dramas.
In einem anderen Fall kam ein besuchender Kumpel kurz nach dem Rückflug dahinter, dass ihn seine Freundin routinemäßig betrog. Die Verdachtsmomente ergaben sich beim Aufenthalt auf Mallorca – man entspannt sich und lässt sein Handy rumliegen, dumm gelaufen.
Im dritten Fall erkannten zwei coole Jungzwanziger anlässlich des Inselbesuchs, dass sie eher zufällig im selben Bett übernachteten, zuletzt in unserem Gästebett, und korrigierten die Situation direkt nach Mallorca schwuppdiwupp.
Der vierte Fall betraf ein beruflich erfolgreiches Paar, das ich seit Jahrzehnten kannte. Es weilte im Haus von Freunden und lud uns zum Mittagessen ein. Stunden vor demselben kam ein Anruf: „Tut uns leid, Essen ist abgesagt. Wir haben die ganze Nacht diskutiert, war schrecklich. Ergebnis: Wir trennen uns.“
Warum musste diese Schlüsselkonversation ausgerechnet auf Mallorca stattfinden? Erklärungsversuch: siehe oben.
Kolumne in der Inselzeitung September 2025