Vor einem Jahr stieß ich auf die Schlagzeile: „Erster Kongress der illegalen Hausbesetzung“. Ich dachte, nun würden sich interessierte Kollektive schon in aller Öffentlichkeit über die Do’s und Dont’s der illegalen Hausbesetzung austauschen. Zu den Fehlern einer berüchtigten Okupa-Familie im Baskenland gehörte es beispielsweise, Habseligkeiten einer 94-Jährigen auf dem lokalen Flohmarkt zu verscherbeln, nachdem sie deren Wohnung besetzt hatten. Nachbarn erkannten die Gegenstände und binnen kurzem rottete sich eine Menge zusammen, die derart in Rage geriet, dass – man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen – die Okupas die Polizei riefen und unter deren Schutz abzogen. Wer es nicht glaubt: Presseberichte mit Video findet Ihr im www unter „Okupas“ und „Anciana“.
Der besagte Kongress hingegen war ein Forum für Experten und Betroffene, um ein Problem zu diskutieren, das von den Rechten hoch- und von den Linken runtergespielt wird, je weiter links/rechts umso stärker hoch/runter. Warum ich das erzähle: 1) Gerade hat Spanien ein Wohnungsgesetz erlassen, das als okupa-freundlich kritisiert wird. 2) Vor einigen Jahren hatte ich Okupas gleich nebenan. Diese „amüsante Anekdote“ muss ich loswerden.
Es begann damit, dass eine mir gut bekannte Spanierin von Lärm alarmiert auf die Straße eilte und sah, wie ein Herr mittleren Alters den Fensterladen des Nachbarhauses zertrümmerte. Auf sein Tun angesprochen, erwiderte der Mann: Alles in Ordnung, er habe das OK der Eigentümerin und nur gerade keinen Schlüssel.
War natürlich Quatsch. Das Haus gehörte 50/50 der Exfrau und der Witwe des verstorbenen Miteigentümers, doch die Witwe hatte für das als Zweitwohnsitz verwendete Haus das Nutzrecht. Der Fensterladen-Vandale war ein Verwandter der Exfrau.
Meine Spanierin rief die Polizei und wurde dafür vom Okupa schon mal kräftig beleidigt und bedroht, was den Polizisten zufolge kein Straftatbestand war. Gut zu wissen. Als die Ordnungshüter eintrafen, war der Hausbesetzer schon drin. Nun wurde es komisch: Die Polizei forderte den Mann auf, die Tür zu öffnen, und der sagte, das gehe leider nicht, er habe keinen Schlüssel. Die Polizei nahm es zur Kenntnis und zog wieder ab. Verständlich – warum soll ein Polizist für sein mageres Gehalt riskieren, vor Gericht gestellt zu werden?
Das Gesetz sieht nun mal vor, dass eine besetzte Immobilie, die nicht als Hauptwohnsitz dient, nur mit Erlaubnis eines Richters geräumt werden darf. Der muss vorher prüfen, ob mit der Räumung keine Rechte verletzt werden.
Genau das zieht sich über unakzeptable Zeiträume hin. Im konkreten Fall warteten wir und alle Nachbarn gut ein halbes Jahr, bis der Gerichtsbescheid kam. Einen langen Sommer hindurch erduldeten wir das endlose Geheul des im Patio eingeschlossenen Hundes und zahllose Familienkrawalle (zu denen das halbe Dorf zusammenströmte – Netflix go home, wir haben unsere eigene Serie). Irgendwann wurden auch Habseligkeiten der rechtmäßigen Nutzerin „abtransportiert“ (ich formuliere vorsichtig, man will ja keine Rechte verletzen).
Am Ende zogen die Krawall-Okupas ab. Gefühlte hundert Jahre später fand das Gerichtsverfahren statt. Freispruch. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Wie das ausgeht, erzähle ich gerne. Vorausgesetzt es gibt uns dann alle noch.
Kolumne in der Inselzeitung Juni 2023