So war Wien:

Im Sigmund Freud Museum erfahre ich, dass der Vater der Psychoanalyse bei drei Wiener Antiquitätenhändlern einkaufte, deren Familiennamen Lustig, Fröhlich und Glückselig lauteten. Analyze that!

Im Wien Museum überrumpelt mich die Erkenntnis, dass es im 1. Bezirk vor 20.000 Jahren ganz anders aussah. Wie der Fund eines Mammutzahns im Boden unter der Wipplingerstraße suggeriert. Ebenso erfahre ich, dass “Lustgärtner” früher ein ehrbarer Beruf war. Und dass im 16. Jahrhundert der Norden “Mittenacht” hieß und der Westen “Nidergang” (ruft da jemand “Omen!”?). Und dass Erzherzog Ludwig Viktor, ein Bruder des Kaisers Franz Joseph, von der Familie “Luziwuzi” genannt wurde. Und nicht etwa “Durchlauchterl”.

Im Architekturmuseum überstehe ich eine Begegnung mit den “Burgenländischen Brutalisten” ohne Verletzungen.

Ein Wienerlied von Neuwirths Extremschrammeln erläutert mir die wundersame Beziehung des Wieners mit dem Tod: Der Gesang besteht einzig und allein aus Wiener Synonymen fürs Abkratzen. Meine vertiefenden Nachforschungen führen mich zum Zentralfriedhof, wo ich im Shop des Bestattungsmuseums ein Spielzeug-Krematorium erspähe sowie eine “Trauerfamilie aus Klemmbausteinen” (29,90 Euro).

Das Wiener Möbelmuseum verblüfft mich auch – nicht nur – mit seiner Inventaraufstellung aus vorwiegend kaiserlich-königlichen Erbstücken, darunter 25 Klaviere, 20.000 Sitzmöbel und 325 Spucknäpfe. In der Sonderausstellung ebendort über Hedy Lamarr finde ich ein Interview aus dem Jahr 1942, in dem die legendäre, in Wien geborene Schauspielerin gefragt wurde, ob sie jemals Streit mit einem Nachbarn gehabt hätte. Ihre grandiooose Antwort: “Ich hatte nie einen Nachbarn.”

In der Belvedergasse erblicke ich durch ein Fenster ein Archiv und unternehme unverhofft eine Zeitreise in meine Geburtsstadt am anderen Ende Österreichs. Denn sofort sticht mir eine Schachtel ins Auge, deren Aufschrift “Karteikarten L.A.A. Bregenz 1939” lautet.

In einem Wagen der Straßenbahnlinie 71 teilt mir ein Info-Screen mit, dass ein Pferd durchschnittlich 15 PS hat. Mit Wien hat das nichts zu tun, aber ich finde es interessant. Und irgendwie seltsam.

Im Technischen Museum fragt mich eine Besucherin, ob ich Museumswärter sei, und meint dann, als ich verneine, ich sähe aber aus wie einer.

Analyze that too …

Auf die noch wenig erforschte Beziehung zwischen Magen und Musik weist mich im Shop der Staatsoper ein “Wiener Schnitzel Puzzle” hin (108 Teile, 9,90 Euro). Es gibt aber auch eine Beethoven-Figur mit Dirigenten-Wackelarm.

Dass Wien ein Albtraum für Deutschtümler ist, belegt ein Schaustück in der generell enttäuschenden Sonderausstellung “Mixed” im Wien Museum: ein 20 Jahre altes Wiener Telefonbuch, in dem alleine der tschechische Familienname Prohaska in seinen unterschiedlichen Schreibweisen ungefähr 350 mal aufscheint. Schmelztiegel Wien. Allerdings wissen wir seit Otto Skorzeny (auch er ein Wiener), dass ein undeutscher Name nicht zwingend für Liebe zu kultureller Diversität bürgt.

Bei einem Ausflug in die nähere Umgebung stoße ich in Bad Deutsch-Altenburg auf einen geparkten Rolls Royce mit slowakischem Nummernschild und einem platten Reifen, elegant mit einem Steinbrocken gegen Wegrollen gesichert. Die Story würde ich gerne kennen.

Und in Hainburg a/d Donau, Schauplatz meiner Kindheitssommer, entdecke ich eine “Weinkirche”, Motto: “Salve vini”. Später lese ich offenen Mundes, dass es einen “Europäischen Weinritterorden” gibt, und dass Hainburg der einzige Ort ist, an dem ein Weinritter in einer Weinkirche lebt.

War mir neu.

Foto: Historische Prachtkutsche des Wiener Bürgermeisters im Wien Musem, Karlsplatz.