Der Mensch ist von Geburt an mit Fehlern behaftet. Schon in den ersten Lebensmonaten verbraucht er die Nerven seiner Mitmenschen, dazu Bananenschleim und jede Menge Windeln. Weil sich letzteres zu einem profitablen Markt entwickelt hat, weil sich Windelproduzenten um die Gunst junger Mütter und ihrer kleinen, plärrenden Windelkonsumenten förmlich raufen, hat die Verbraucherzentrale Bayern für eine Woche einen Telefondienst eingerichtet zum Thema: „Das auslaufsichere Baby – Windeln im Blickpunkt“.
Babys laufen also aus. Ist ja auch logisch, als Gegenteil von Einlauf. Erwachsene laufen kontrolliert und gezielt aus, Babys eher spontan. Was wohl besser ist? Überall empfindet man es als Fortschritt, wenn Dinge mobil gemacht werden. Das transportable Telefon, der tragbare Fernseher, der Walkman – was spricht gegen die Walkwindel? Nach dem Motto: „Ich laufe aus, wo ICH will“ im Sinne einer umfassenden Bürgerselbstbestimmung wäre es doch langsam an der Zeit, auch auf dem Gebiet des Auslaufens jene Mobilität zu schaffen, die in anderen Bereichen selbstverständlich ist. Wäre das ein gewaltiger neuer Markt, wenn nur endlich das gesellschaftliche Tabu des mobilen Auslaufens gebrochen würde! Die Windeln für den Herrn, die Windel für die Dame, der auslaufsichere Bürger. Tun Sie’s den Schiffen gleich, laufen Sie aus! Kein lästiges Örtchensuchen mehr, die Komfortwindel macht’s möglich.
Ausgebeulte Hosenböden und leichte O-Beine würden zur Mode. Yves Saint-Laurent würde seine Windel-Kreationen auf dem Laufsteg präsentieren („Hier sehen Sie das Modell ‚Kot d’Azur’. Jeans-kompatibel und atmungsaktiv“) und der Vier-Schicht-Betrieb würde – zumindest was beschichtete Windeln anlangt – ohne langer Diskussionen aufgenommen werden.
Alles Träume, wir müssen zugeben: Die kleinen Racker haben uns noch einiges voraus.
Glosse in der Neuen Vorarlberger Tageszeitung, 17. Januar 1986