Nur wenige Zeilen meines Romans „Das Geheimnis von Chaterau Limeray“ sind einer Episode des Zweiten Weltkriegs gewidmet, die weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Im Lauf des Konflikts haben Franzosen gegen Franzosen gekämpft. Das waren keine vereinzelten Scharmützel oder Missverständnisse, sondern die Folgen konkreter Umstände. Diese führten dazu, dass Angehörige der Familie Mary – Eigentümer des fiktiven Weinguts in Limeray – in einem Krieg ums Leben kamen, bei dem französische Truppen gegen ihre eigenen Landsleute kämpften.

Der historische Hintergrund ist die Situation nach dem Waffenstillstand 1940 in Frankreich. Die Wehrmacht kontrollierte etwa die Hälfte des Landes, die andere Hälfte überließ Adolf Hitler einem Regime, mit dem er ein gutes Verhältnis wünschte: der Regierung von Marschall Pétain mit Sitz in Vichy. Der Grund war ein strategischer. Frankreich verfügte außerhalb Europas über ausgedehnte Kolonien in Afrika und Asien mit ihren eigenen Armeen. Hitler suchte zu verhindern, dass diese Truppen sich den von General de Gaulle gegründeten „Forces Françaises Libres“ anschlossen und die Kolonialgebiete kampflos an die Allierten fielen. Tatsächlich ging dass Kalkül auf, denn die Kolonialtruppen hielten lange zu jener Regierung, die sie für legitim hielten: Vichy.

Ein Schauplatz des daraus entstehenden innerfranzösischen Kriegs waren der Libanon und Syrien. Die Region stand unter Kontrolle des Vichy-Regimes. 1941 starteten alliierte Truppen – Australier, Briten, indische Kolonalkräfte und Einheiten von de Gaulles „Freien Franzosen“ – einen Angriff auf diese Territorien („Operation Exporter“). Das Bündnis zwischen den Vichy-Franzosen und Nazi-Deutschland ging so weit, dass französische Kampfflugzeuge britische Kriegsschiffe angriffen und die deutsche Luftwaffe Einsätze zur Unterstützung der französischen Kolonaltruppen flog. Lediglich ein kleiner Truppenteil von etwa 400 Franzosen lief gleich zu Beginn des Konfliktes zu den Alliierten über.

Später, als die Alliierten und mit ihnen die „Forces Françaises Libres“ alle Kolonialterritorien unter Kontrolle gebracht hatten, wurden die Vichy-Soldaten eingeladen, sich den Freien anzuschließen. Doch unabhängig von den Kriegsereignissen war die Kluft insbesondere zwischen den Offizieren dieser weitgehend eigenständigen französischen Armeen riesig. Selbst beim Einmarsch in Paris, an dem nicht wenige „Koloniale“ teilnahmen, gingen so manche von ihnen auf Distanz und weigerten sich, ihre Fahrzeuge mit dem Emblem der „Freien“ zu markieren. Generell hegten viele Angehörige der Kolonialtruppen erhebliche Vorbehalte gegen de Gaulles Führungsanspruch.

Gestoßen bin ich auf diesen wenig beachteten Aspekt der Kriegsgeschichte in einem Buch über die Schlacht von Dien Bien Puh. Bei dieser Stadt in Nordvietnam bereiteten die Viet Minh (Vorläufer der Vietkong) der französischen Expeditionsarmee eine erste und historisch entscheidende Niederlage. In Martin Windrows hervorragendem Buch „The last valley“ (Weidenfeld &  Nicolson, 2004) werden die Spannungen geschildert, die zwischen französischen Truppenteilen aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und der damals vertieften Spaltung noch immer wirkten. Detail am Rande: Die Fremdenlegion spielte eine Schlüsselrolle in Dien Bien Puh. Manche ihrer Einheiten bestanden weitgehend aus besonders kampferprobten Soldaten: Veteranen der deutschen Wehrmacht.

Klammer auf: Im selben Buch fand ich darüber hinaus die Bestätigung für eine extravagante Story, auf die ich bei der Recherche der Geschichte eines der traditionsreichsten Luxushotels auf Mallorca gestoßen war, des Castillo Hotel Son Vida in Palma, und die ich lange für ein Gerücht hielt oder eine Übertreibung der Presse. Tatsächlich ist in „The last valley“ dokumentiert, dass  Steve Kusak, einer der beiden Gründer des Hotels, zuvor Pilot bei den Flying Tigers gewesen war, einer CIA-Tarnfirma. Als solcher nahm er am letzten Versorgungsflug für die belagerten und vor der Kapitulation stehenden Franzosen teil. Man glaubt nicht, welche Anekdoten ein Hotel auf Mallorca zu bieten hat. Klammer zu.

Zurück zu „Das Geheimnis von Chateau Limeray“: Zwei junge Männer der Familie Mary schlossen sich im Krieg den von de Gaulle befehligten Freien Franzosen an und fielen im Kampf gegen Vichy-Franzosen. Krieg ist immer tragisch, aber dann besonders, wenn er Menschen gegeneinander loshetzt, die im weiteren Sinn derselben Familie angehören.

Bei der Bebilderung muss ich schummeln: Dieses Foto könnte einen französischen Kolonialoffizier mit seinem lokalen Begleiter darstellen. In Wahrheit zeigt es meinen Vater, der nach dem Krieg einige Jahre in Damaskus lebte, vermutlich bei einem Ausflug.

Hier geht es zum Buch.

Das Geheimnis von Chateau Limeray